Schnupperfliegen der Gleitschirmschule Appenzell - Auszug aus dem Tagebuch - 12. Mai 2001

 

Was ich heute erlebte, werde ich wohl mein Leben nicht vergessen! Ich bin zum ersten Mal mit einem Gleitschirm geflogen – ganz allein! War ich zunächst um 7 Uhr noch kaum aus den Federn gekommen, freute ich mich schließlich umso mehr auf das Abenteuer dieses Tages. Wie mochte sich der Schnuppertag in Grub wohl gestalten? Gabriel war beim Frühstück nicht minder aufgeregt. Er fühlte sich – so sagte er zumindest – wie Eltern, die ihre Kinder loslassen müssen. Er war total gespannt – wie ich! Der stahlblaue, sonnig klare Morgenhimmel versprach einen atemberaubend und unvergesslich schönen Tag. Nach einem kräftigen, vitaminreichen Frühstück brachen wir mit dem Z3 ins Appenzell auf, diesmal aber am See entlang bis Rorschach und von dort den Berg hinauf Richtung Heiden bis Grub, einem kleine idyllischen Dorf, in dem wir uns (4 Schnupperschüler und 2 Fluglehrer der Flugschule Appenzell) um 9.30 Uhr im Gasthof Ochsen trafen. Wir hatten schon unten am See in Horn über die Schönheit der Gegend dort gestaunt. Hier oben waren wir noch nie gewesen, und heute war wahrlich ein Bilderbuchwetter. Marco und Andreas, die beiden Fluglehrer der Flugschule Appenzell, erklärten uns den Ablauf des Tages. Dann brachen wir auf zum Übungshang nicht weit vom Dorf. Noch verbarg sich die Sicht nach Norden in Dunst vom See, doch was wir gegen Mittag dann zu sehen bekamen, war unbeschreiblich: Den gesamten Bodensee von seinem West- bis zu seinem Ostende! In welcher Pracht! Unglaublich schön!

 

Nachdem wir das Material ausgeteilt bekommen hatten und Andreas uns ein paar grundlegende Dinge übers Fliegen erzählt hatte, begannen wir am flachen Hang das Schirmaufziehen zu üben. Im Laufe des Vormittags ging es dann am Übungshang immer höher hinauf, bis die ersten von uns leicht abhoben bzw. bereits wenige Meter weit flogen. Whoo... welch Gefühl! Gabriel stand mir als Coach zur Seite. Neugierig und gespannt sah er uns zu, half mir beim Schirmauslegen und tat etwas absolut Cooles und für mich Großartiges: er filmte die ganze Zeit, jeden Startversuch, jedes Landen! Das sollte ich dann abends merken, als wir um 21 Uhr, erschlagen von all den Eindrücken und der vielen, ungewohnten Sonne, daheim den Film im Fernsehen ansahen! Wow! Es war einfach irre!

 

Meine ersten Versuche, den Schirm aufzuziehen, waren sehr lustig. Während wir „Schnupperer“ unten am Hang übten, flogen die Grundkursschüler, die zu uns gestoßen waren, oben am Hang. Angeleitet wurden wir alle durch die Zurufe und Bewegungen des Fluglehrers, der uns unten am Landeplatz „einwies“. Es ist irre, daß das so super funktioniert!

 

Mittagspause machten wir auf einem Bauernhof mit Gastwirtschaft, wo wir das Essen vorbestellt hatten. Wir saßen dort alle zusammen auf Holzbänken im Sonnenschein. Andreas erzählt uns vier Neulingen später von den Aktivitäten der Gleitschirmschule Appenzell und dem Ablauf der Kurse. Mir war trotz der Sonne mit einem mal eiskalt. Gut dass die Sonne so schön wärmte.....

 

Nach der Mittagspause ging es weiter! Doch beim ersten Start bei recht kräftig angezogenem Wind von der Mitte des Hanges her „zerbröselte“ es mich beinah total auf einem Gulli in der Wiese. Ich hatte – ein Grundfehler – mich mehrfach versucht zu setzen, obwohl ich doch noch gar nicht richtig abgehoben hatte. Puh, war mir dabei das Herz in die Hose gerutscht! War ich den Tränen nahe gewesen und hätte beinah aufgegeben! Doch dann versuchte ich mich (à la Morrie) bewusst von meiner Angst zu „distanzieren“ und wagte einen Neuanlauf. Diesmal wollte Andreas aber, daß ich von ganz oben startete. Gott war ich aufgeregt! Doch Andis ruhig Art flößte mir Vertrauen ein, und so startete ich mit vollem Impuls durch. Und - whoops, wow, no! Da hob es mich vom Boden und ab in die Luft! Mit einer kleinen Thermikblase stieg ich auf ca. 40-50 m über dem Boden und realisiert eigentlich erst, als es mich an den Waldrand drückte, dass ich flog. Ich flog!!! Abends hörte ich an dieser Stelle im Video Andreas ausrufen: „Jetzt fliegt sie!“ Alle schienen oben auf dem Berg begeistert gewesen zu sein.

 

Das Adrenalin schoß mir ins Blut und mein Herz raste. Wie sollte ich hier wieder herunter kommen? Da besann ich mich und sah ganz ruhig auf Marco, der mich unten auf dem Landeplatz einwies. Ich lernte eine Rechtskurve fliegen und daß ich, wenn ich landen will, die Bremsleinen voll durchziehen muß. Selig und ganz aufgeregt bekam ich Boden unter den Füßen, saß in der Wiese und mein Schirm fiel sanft hinter mir zusammen wie eine Ziehharmonika. Danach wollte ich eigentlich nur noch einmal fliegen, was war aber eh, wie ich kurz darauf erfuhr, auch so vorgesehen gewesen war. Mein Traum war es gewesen heute noch eine Bilderbuchlandung hinzulegen. Daß mir dies aber bei meinem letzten (einem absoluten „Traum-Anfängerflug“) gelang, war sagenhaft. Wie eine Eins kam ich unten direkt vor meinem Fluglehrer zum Stehen! Wow!

 

In Ruhe legten wir in der Nachmittagssonne die Schirme zusammen. Lang unterhielten wir uns noch mit den Fluglehrern. Gabriel ließ ihnen seinen Schirm zum Check da. Dann brachen wir völlig im Flugrausch nach Hause auf. Was für ein atemberaubender Tag das gewesen ist! JJJ Ich konnte es einfach nicht glauben, war wie in Trance! Ich hatte knallrote Augen wie ein Kaninchen (vermutlich von der Sonne, dem Flugwind und den Kontaktlinsen!). In Horn (Schweiz) fanden wir mitten am See mit unbeschreiblichem Blick auf das tiefblaue Wasser, die Palmen vor dem Hotel und die weiß glitzernden Segelboote, noch ein Plätzchen auf der Seeterrasse des Bad Horn Hotels „Vier Wellen“, wo wir eine Kleinigkeit zu Abend aßen und den Tag mit seinen vielen unvergesslichen Eindrücken Revue passieren ließen.

Daheim angekommen, waren wir fix und fertig, sahen aber gleich - neugierig ohne Ende - das Video von heute an. Wowowowowo!.

What an incredible day, today!

 

Katharina