Die Flugerlebnisse der Paraoten in Fiesch konzentrierten sich in diesem Jahr auf die Tage um Mitte August. Wie schon so oft treffen sich die Streckenhungrigen Piloten auf dem Campingplatz in Ritzingen. Gerhard aus Tübingen, Uli und Anett aus Kempten, Hans-Peter und Alwin aus München, Georg aus Böblingen und ich aus Konstanz. Am abendlichen Lagerfeuer erzählen wir die Geschichten vergangener Flüge.

 

Alles scheint normal zu sein. Am nächsten Morgen starten wir zum Startplatz Kühboden. Die übliche Startprozedur und bald sind alle unterwegs in die dritte Dimension. Ich fliege zum Grimselpass und auf dem Rückweg weit hinten am Oberaarstausee entlang, weil es auch weit hinten gut trägt. Am Galmihorn will ich schon nach Bellwald abdrehen, da sehe ich...??? Ist es wahr, oder eine optische Täuschung??? Die drei Pünktchen, hinten am Finsteraarhorn, sind das Gleitschirme? Ich beschließe am Wasenhorn aufzudrehen und mir das genauer anzusehen. Es geht sehr mühsam auf der Südseite. Hätte ich beim Abdrehen vom Galmihorn doch nur meine schöne Höhe nicht vernichtet! So ein Mist! Jetzt kämpfe ich um jeden Meter. Ich beschließe die Gratseite zu wechseln und nördlich am Wasenhorn aufzudrehen über dem oberen Fieschergletscher. Fehlanzeige!! Da geht gleich gar nichts. Oh oh! Jetzt schaffe ich es womöglich nicht mehr auf die Südseite der Krete und muss ins Fieschertal abgleiten. Da! Ein kleiner Sattel. Knapp komme ich drüber, bin jetzt sehr dicht über den Schuttfeldern. Nur Nullschieber. Ich suche verzweifelt. Endlich entschließe ich mich nach vorne herauszufliegen. Und da stehen auch die Schläuche! So komme ich um 15 Uhr 30 endlich über das Wasenhorn und sehe jetzt ganz deutlich die Schirme. Ein roter Arcus stößt zu mir. Langsam aber stetig geht es aufwärts und als wir 4000 m erreicht haben fliegen wir los auf das Finsteraarrothorn zu, den Eckpunkt des 2,5 km langen Finsteraarhorn Südostgrates, den ich mit Christian Müller 1984 in 2 Tagen mit Biwak überklettert habe. Mittlerweile ist es 16 Uhr, die Thermik lässt deutlich nach. Für heute ist es genug. Außerdem hatten wir uns um 16:30 auf dem Breithorn verabredet zu einer Pause in den herrlichen Bergblumenwiesen. Ich düse los, drehe am Eggishorn noch mal bis 3600m auf und kann dann im entspannten Gleitflug gut über dem Breithorn auf der anderen Talseite ankommen. Da sehe ich Alwin abfliegen. Aber Georg ist noch da und kämpft mit Seitenwind zum Start. Die anderen sind schon wieder in der Luft. Na denn mache ich nur eine kurze Pause. Als die Sonne schon über dem Horizont steht erst lässt die Thermik am Breithorn nach und als ich Fiesch lande ist es schon fast dämmrig.

 

Der nächste Tag verspricht mindestens genauso gut zu werden, und so verabrede ich mit Hans-Peter heute direkt das Finsteraarhorn anzugehen, wenn der Wind passt. Wir haben bei Bellwald guten Anschluß und sind bald am Wasenhorn wo wir mit der Basis hochsteigen. 3900 ist Abflug zum Finsteraarhorngrat. Am Rothorn steht ein megastarker 6m Schlauch, gute Tankstelle. Dort mache ich nach und nach Höhe bis 4400m um dann am Gipfel, wo erst die nächste Thermikquelle ist, Anschluss zu finden. Das gelingt mir leider nicht und so bleibe ich ca 100m unter Gipfel, während Hans-Peter es schafft 200m über dem Gipfel zu kreisen. Später stößt Uli dazu, auch Gerhard, Georg und Alwin folgen. So findet am Finsteraarhorngipfel ein Meeting aller unserer Fliegerfreunde statt. Ich geniesse es den langen Grat vier oder fünfmal entlang zu fliegen, zum Teil ganz dicht neben dem Gratkamm, wo wir uns 18 Jahre zuvor in 2 Tagen mühsam hochgekämpft haben. Jetzt erst wird mir klar, welche Verschiebung der wahrgenommenen Dimensionen ich gerade erlebe. Es ist unglaublich. Sicher sind solche Tage wie der 16. und 17. August 2002 an denen es in der Höhe praktisch windstill ist und die Basis hoch genug wird äußerst selten. Vom Finsteraarhorn mache ich mich irgwendwann, als die Freunde schon längst wieder abgeflogen sind, auch auf den Weg. Direkte Querung zum Gr. Wannenhorn und dann den Aletschgletscher entlang zum Eggishorn. Ohne zwischendurch Thermik zu haben komme ich immer noch mit 3150m dort an, sodaß ich recht schnell wieder die Abflughöhe zum Breithorn habe, wo mich die Kameraden in der blühenden Wiese schon erwarten.

 

Es waren gewaltige Tage im Herzen der Gletscherwelt. Eine ganz neue Erlebnisqualität hat sich mir eröffnet. Es müssen nicht immer Kilometer und Punkte sein.

 

Christian S.