Abenteuer im Engadin

 

Eines Abends klingelt mein Telefon. Hans-Peter ist dran. Er ist mit Alwin auf dem Weg ins Engadin nach La Punt und will mich motivieren mitzukommen. La Punt lockt immer und so breche ich Montags früh um fünf mit York, einem Fliegerkameraden von der FGA auf. Um 6 Uhr steht im Rheintal ein Polizeiwagen mit Warnblinker auf dem Pannenstreifen. Wir denken nichts Böses. Da plötzlich...............! Überall Polizei! Wir werden herausgeleitet. Ein freundlicher Polizist beugt sich tief hinunter und begrüßt mich höflich: „Guten Morgen , Geschwindigkeitskontrolle, bitte ihre Papiere.“ Oh, Oh als notorischer (Zu)schnellfahrer hatten sie mich mal wieder. Ach ja, wenn ich doch nur bei meinen Streckenflügen schneller wäre und dafür auf der Straße ein wenig langsamer. Aber wir wollten ja rechtzeitig am Startplatz ankommen. Wie wir dann aber feststellen ist der Weg über den Albulapaß viel kürzer und noch früh sind wir am Parkplatz. Auch Fabio, Roland und noch ein paar andere sind dabei.

 

Es sieht super aus. Die Luft ist sehr klar und der Aufwind beginnt ab 10 Uhr stetig die Hänge hinaufzustreichen. Alle sind bereit. York ist der Erste, Alwin gleich danach. Nach und nach gehen alle raus. Als die Luft auch mich trägt , freue ich mich und stelle nur nach und nach fest, daß die Thermik heute sehr scharf und giftig ist. Es versetzt uns stark ins Tal. Aha! Nordwind! So sehe ich denn auch sehr unterschiedliche Reaktionen. Alwin dreht unbekümmert weiter auf, Hans-Peter geht landen, Fabio fliegt ein Stück weit und versucht auch zu landen. Ich drehe zu Alwin auf, fliege Fabio ein Stück hinterher. Die Sicht aus 4000 m ist traumhaft, aber die Thermik ist alptraumhaft, stark zerrissen, windversetzt. Keine Bedingungen für einen langen Flug. So entschließe ich mich bald dazu es Hans-Peter gleichzutun und lande neben ihm auf der großen Wiese. Auch Fabio versucht weiter talabwärts zu landen. Bald sind wir alle wieder vereint. York ist bei Zernez eingebombt und nimmt den Zug nach St.Gallen zurück. HP, Alwin und ich kommen auf die Idee, es an der Motta Naluns zu versuchen. Das ist „Optimismus pur“ Bei diesem starken Nordwestwind. Aber die Alternative der Wanderung von Ftan durch blühende Frühlingswiesen hinauf zur gemütlichen Bergbeiz auf Prui gefällt uns auch ganz gut.

 

Der folgende Tag sieht windmäßig viel besser aus. Vom Start weg zieht es sanft und gleichmässig hoch. Heute wird es! Kräftige Thermik hebt uns hinauf. Hans-Peter hat nach dem Start etwas Probleme Höhe zu gewinnen. Ich kreise über ihm, um auf ihn zu warten, damit wir gemeinsam fliegen können. Dann düsen wir los, fliegen die erste Kette entlang bis zur ersten großen Talquerung. Dort habe ich Probleme Abflughöhe zu machen. Es ist alles blau. Nicht das kleinste Wölckchen. Schönes Wetter ist gut und recht, aber ein paar hübsche, kleine Cumuli hätten schon sein dürfen. Plötzlich fliegt HP von der Krete weg weit rechts zur Talmitte hin. Wie das?? Er hat recht. Plötzlich schießt er wie ein Sektkorken in die Höhe und macht in kürzester Zeit eineinhalb-tausend Höhenmeter gut. Aha! Also doch wieder Nordwind. Dummerweise wegen fehlender Wolken zuerst nicht erkennbar. Nun weiß ich wo es langgeht, vorerst wenigstens. Auf 3900m angekommen stehe ich vor der Entscheidung in Talmitte weiter ................ da geht es jedoch nur runter mit 3,5 m/s oder zurück zur Krete bei Brail, wo normalerweise die Hammerschläuche stehen. Ich entscheide mich für die Hammerschläuche, denn über Talmitte ist es eher zufällig in einen Schlauch zu fliegen. Der erste Megapump reißt giftig an, ist aber kaum lokalisierbar und ebenso schnell verliere ich ihn wieder. Ich fliege weiter die Krete entlang. Irgendwo muß es ja wieder gehen. Und es geht!! ......... mit 4 m/s (allerdings abwärts). Zurück zur Talmitte, wohin die Schläuche vom Nordwind gedrückt werden. Nirgendwo finde ich etwas. So schmilzt meine schöne Höhe kläglich zusammen. Unaufhörlich wird die Spielzeuglandschaft unter mir größer. Die Häuser, die Wälder, die Wiesen und die Autos nehmen wieder ihre gewohnte Größe an. Paff!! Neben einer blühenden Bergwiese stehe ich plötzlich auf einem Wirtschaftsweg. Ich komme mir vor als wenn ich aus einem schönen Traum aufgewacht wäre. Es ist immer das bittere Gefühl einen schönen Traum nicht festhalten zu können. Wieder mitten in der Realität. Wenigstens eine landschaftlich wunderschöne Realität. So packe ich zusammen, stelle mich an die Straße und teste das „Daumentaxi“. Bis Madulain klappt es - dann harzt es etwas. Bis schließlich eine wunderschöne Frau mit ihrem schwarzen Auto anhält. Ich fasse es kaum. Und nimmt einen Typ mit riesigem Rucksack mit. Bald weiß ich warum. Sie kennt die Fliegerszene im Engadin und ist unterwegs zu einer Mountainbike-Tour mit Freundinnen, nachdem sie Ihre Kinder versorgt hat. So komme ich doch zeitig wieder in La Punt an, wo ich Fritz Stoll treffe, der von Zernez kommt. Fabio ist bei Susch gelandet nach einem Höllenritt. Und Hans-Peter der Tageschampion meldet sich per Handy aus Martina, nach einem teils sehr turbulenten Flug. Er fährt mit dem Bus weiter nach Landeck, wo er sein Auto deponiert hat. So mache auch ich mich auf den Heimweg. Trotz allem wieder ein Erlebnis. Und La Punt lockt auch im nächsten Jahr.

 

 

Lac d`Annecy

 

Viele ParaOten haben schon davon geschwärmt. Nun endlich sollte es sein, daß auch ich dies Flugparadies kennenlernen sollte. Ich träume von sanftem Gleiten in ruhiger Abendluft über dem goldgelb angestrahlten See. Die Anreise wird von schönem Wetter begleitet und ich bin sehr neugierig, wie es aussieht dort. Das Wetter ist dort etwas gemischt, so daß wir uns nach anderen Aktivitäten umschauen. Mit Dana mache ich einen Ausflug und fahre auf dem Rückweg am Start am Col de la Forclaz vorbei, wo ein traumhafter Blick tief hinab zum See möglich ist. Jürgen, der seine Tandemprüfung machen will, startet mit Wilfried als Passagier. Auch ich mache mich fertig und entschwebe in die ruhige Luft. Die Kulisse ist einzigartig, leider ist heute kein biz Abendthermik zu finden, aber wir haben ja noch drei Tage vor uns. Der Abend wird in einer gemütlichen nahegelegenen Pizzeria begangen. Es schmeckt uns sehr gut - auch der Wein. Die freundliche Bedienung schaut am Ende nur etwas irritiert. Wahrscheinlich ist sie es nicht gewohnt auf einen Schlag ein Trinkgeld von ca. umgerechnet 30,- DM zu erhalten.

 

Der nächste Tag beginnt zuerst mit viel Wind, so daß wir mehr an Lenkdrachen als an Gleit-schirme denken. So machen Dana und ich einen Ausflug zum Col Epine, wo wir plötzlich jede Menge Schirme in der Luft sehen. Wir sehen uns das Ganze von oben an. Es motiviert schon sehr. Nach ein Uhr mittags setzt dann aber auch hier der Talwind ein und verbläst jede Thermik. Sehr schnell stehen alle Piloten am Boden. Wir fahren weiter nach Megeve, wo wir einen Superblick auf den Montblanc haben. Drumherum bauen sich langsam immer mehr Gewitter auf und es ist spannend von sonniger Warte da zuzusehen. Als wir zurückkommen, ist Hans-Jürgen mit dem Fahrrad aus Genf eingetroffen. Am Campingplatz haben sich alle gut eingerichtet. Dana verlustiert sich auf der alten Eisenbahntrasse, die zu einem Inlineskater-Paradies umgestaltet wurde. Die fest aufgebauten Zelte mit Tisch und Stühlen geben uns einen guten Rahmen um gemütlich abends bei Rotwein zusammenzusitzen und über Erlebtes und Geplantes zu reden.

 

Der Samstag sieht alle am Startplatz Col Epine, Jürgen hat Hans-Jürgen als Passagier. Die Thermik ist heute leider hier nicht so gut wie gestern. Wilfried und ich landen nach kurzem Flug, solange wir noch genug Höhe haben wieder oben ein, um die Fahrzeuge hinunterzufahren. Am späten Nachmittag fahren wir zum Col de la Forclaz. Es herrscht dichter Betrieb am Start. Da ist ein Sonntag in Andelsbuch fast leer dagegen. Aber die Franzosen halten sich nicht lange auf. Es wird praktisch permanent gestartet. Keiner zögert da lange. Es sieht gut aus in der Luft. Reiner geht in die Luft. Martin und Jürgen mit Hans Jürgen machen sich auf den Weg in die Luft. Sobald ich den Boden unter den Füßen verloren habe, werde ich sanft nach oben getragen. Ein herrliches Gefühl. Ich schwebe die Kette nach Norden entlang hinauf, bis sie endet und einem großen Einschnitt Platz macht. Da öffnet sich weiter nach hinten gelagert der Blick auf eine größere schneebedeckte Kette. Sie reizt mich. Ich sehe Wilfried, der schon seit mittags in der Luft ist weit oben am Gipfelgrat schweben. Es ist um diese Zeit, ca. 18 Uhr nicht mehr ganz einfach, aber möglich. Nachdem ich genug Abflughöhe habe, wage ich mich an die Flanken der hinteren Kette. Die An-kunftshöhe reicht zum Glück aus, um zwar in zähem Ringen, aber trotzdem kontinuierlich nach oben zu steigen. Zwei Mitflieger, die vielleicht 150 m unter mir an die Flanken kommen, packen es nicht mehr und müssen tief zurückschleichen, um gerade noch an den Landeplatz zurückzukommen. Ich schaffe es um diese Zeit nicht mehr den Grat zu überhöhen. Doch gerne gesehen hätte ich schon, was dahinter kommt. Nach Norden endet die Kette, So fliege ich dorthin und etwas außen herum. Und es tut sich ein gigantischer Blick zum rötlich in der tiefstehenden Abendsonne liegenden Mont Blanc auf. Als ich schließlich wenig vor Sonnenuntergang am Landeplatz einschwebe, höre ich von den Kameraden welch chaotischen Landungen da zu beobachten waren.

 

Am Sonntag haben wir schließlich den Gedanken, direkt in die Araviskette einzusteigen. Wir finden eine lange Auffahrt zum Startplatz. Wunderbare blühende Bergwiesen säumen die Auffahrt und lassen uns eine paradiesische Landschaft erleben. Wir sehen etliche Schirme an der Araviskette hochdrehen. Als wir am Start ankommen sind alle schon weg. Wir machen uns fertig. Ich starte als erster. Zuerst gilt es eine lange Querung bis an die Flanken der Kette zu machen. Es trägt nicht besonders gut und einige Male befürchte ich zwischenlanden zu müssen. Endlich bin ich an der Flanke angekommen. Leider tiefer als ich hoffte. Nun steuere ich hoffnungsvoll die Rinnen an, die thermikträchtig aussehen. Jede Rinne rupft, aber nirgends ein verwertbarer Schlauch, der richtig anreißt. So kämpfe ich Meter um Meter, aber in der Summe verliere ich und muß schließlich auf einer Wiese im Tal landen. Vom Boden sehe ich, daß Reiner und Martin auch bald bei mir eintreffen werden. Wir fahren mit meinem Wagen hinauf um Martins Auto zu holen. Dann fahren wir zurück - um eine Erfahrung reicher. Am Landeplatz treffen wir zufällig einen Fluglehrer, der uns bestätigt, daß der Thermikeinstieg hier sehr schwierig ist. Das tröstet uns darüber hinweg, daß wir nicht zu den glücklichen Thermikgewinnern gehörten. Insgesamt war Annecy für mich als Neuling sehr erlebnisreich und vom Ambiente her so schön, daß ich sicher wieder einmal hier auftauchen werde.

 

 

Fiesch 2001

 

Auch dieses Jahr fanden wieder einige ParaOten den Weg über den Furkapass nach Ritzingen. Reiner, Martin, Peter, Uli, Anett, Christian S., Dana, Gerhard aus Tübingen und Mickel aus Solothurn waren wie alljährlich auf Warteposition für gute Streckenflüge. Das Wetter war in der zweiten Augusthälfte sehr schön. Dennoch fehlten in diesem Jahr die ausgesprochenen Hammertage. Auch wurde der Furka nur an sehr wenigen Tagen, der Oberalp noch viel weniger über-flogen. Auch da nur von den „Spezialisten“. Thermiktage für Otto-Normal-Streckenpiloten, zu denen ich mich zähle, fehlten. So konnte man sehr gut im örtlichen Gelände zwischen Grimselpaß und Belalp herumfliegen.

 

Zu Ende August erinnere ich mich besonders an ein Flugerlebnis. Es war schon Spätnachmittag, ich kam von der Grimsel zurück und hatte nach mühsamem Kampf an der Fiescheralp wieder Höhe gemacht. Über dem Eggishorn stand ganz isoliert eine große Wolke gut 500-800m aufgebaut. Als ich mich der Basis, die bei 3300m lag, näherte, stellte ich fest, daß es sehr gut zog, nur leider war die Basis etwas tief. So flog ich den luvseitigen SW-Bereich der Wolke an, um nicht eingesaugt zu werden. Zu meinem Erstaunen stieg es vor der Wolke in größerem Abstand immer noch gut, so daß ich ohne Gefahr im blauen Bereich praktisch vor der Wolke hinaufstieg und bis ca. 3900m Höhe machen konnte. Das reichte dann bequem, um über Villa Cassel, wo alles blau war, die Wende zu nehmen und noch über der Galvera das Dreieck zu schließen. Neben oder vor einer Wolke Höhe zu machen ist ein eigenartiges Gefühl. Man sieht von oben auf die Wolken, was normalerweise nur möglich ist, wenn man einen eigentlich nicht erlaubten Flug in der Wolke unternimmt. Das allabendliche Lagerfeuer hat alle wieder gleichermaßen erfreut und Dank des guten Kontaktes zu Robert aus Brig, der sein „Chalet“ neben unserem Platz hat, wurden wir immer aus-reichend mit bestem Feuerholz versorgt. Die Sportfischerei sah uns auch wieder. Die Fische bissen hervorragend, dank Milan, der extra aus Prag dazu angereist war. Insgesamt war es eine erlebnisreiche Zeit in Fiesch und erfreulicherweise in diesem Jahr im Bereich GS und Delta unfallfrei. Offensichtlich haben zunehmende passive Sicherheit der Schirme und verantwortungs-bewusstes Handeln, sowie bessere Ausbildung der Piloten eine positive Entwicklung bewirkt. Bleibt zu hoffen, daß im nächsten Jahr wieder mehr ParaOten den Weg ins Wallis finden.

 

Christian